Wie wir in Teil 1 erfahren haben, wurde 2015 eine Studie an der amerikanischen Universität von Kalifornien in Davis (nahe Sacramento) von Niels C. Pedersen, u.a. veröffentlicht.
„The effect of genetic bottlenecks and inbreeding on the incidence of two major autoimmune diseases in standard poodles, sebaceous adenitis and addison’s disease“
Zu Deutsch: „Die Auswirkung genetischer Flaschenhälse und Inzucht auf das Auftreten von zwei bedeutenden Autoimmunerkrankungen bei Großpudeln, Sebadenitis und Morbus Addison“
(Im Internet einzusehen unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4579369/ )
Klar geht daraus hervor, dass der Mid Century Bottleneck (zurückgehend auf den Wycliffe Kennel) den maßgeblichen Einfluß hatte, der bis heute die Großpudel bezüglich MA und SA bedingt.
Es können sogar detailliert Hunde genannt werden, aus denen die Krankheiten hervor gingen und wie stark ihr Einfluß bis heute ist. Eben diese Hunde wurden auf Grund ihrer Popularität und Schönheit großzügig in der Zucht eingesetzt.
Bevor wir die signifikanten Faktoren für die genetische Beschreibung eines Hundes erläutern, müssen wir grundsätzliche Begriffe klären, die noch dunkel aus dem Biologie-Unterricht erinnern mögen.
Gen - ein bestimmter Bereich eines Chromosoms, der von den Eltern an die Nachkommen vererbt wird
Allel - eine abweichende Form eines Gens. Einige Gene haben eine Vielzahl verschiedener Formen, die sich an der gleichen Position oder dem genetischen Locus auf einem Chromosom befinden
heterozygot - ein Gen, dessen zwei Allele unterschiedlich sind
homozygot - ein Gen, dessen zwei Allele gleich sind
STR - Short Tandem Repeat, eine Einheit von DNA-Wiederholungen, die immer wieder hunderte Male hintereinander auftreten können
STRs werden üblicherweise verwendet, um Genealogie und Abstammung zu verfolgen.
Wir möchten die Vielfalt der Genetik vergrößern oder erhalten. Das bedeutet, wir müssen die unterschiedlichen genetische Vorfahren identifizieren.
STRs sind perfekt geeignet, um Hunde zu identifizieren, die Genetik von verschiedenen Vorfahren haben.
Die UC Davis verwendet eine Testmethode anhand von STRs. Sie wurden ausgewählt, weil es neutrale oder stumme Marker sind - das heißt, sie benennen keine Merkmale wie Augenfarbe oder Felltyp. Es ist wichtig, neutrale Marker zu verwenden, damit man nicht nach Merkmalen aussucht, während man versucht, die Artenvielfalt zu erhalten. Was, wenn zum Beispiel diese Merkmale homozygot sein sollten (z. B. sollten Pudel zwei Gene für lockiges Fell haben und das wollen wir nun wirklich nicht verändern)?
Bei diesen Markern handelt es sich um sich wiederholende DNA-Marker, und nicht um einzelne DNA-Punkte. Das Team hat 33 dieser Marker sorgfältig ausgewählt, um die Artenvielfalt zu bemessen.
Züchter verfangen sich oft in der Vorstellung, dass mehr Marker auch besser sind. Man kann die Anzahl der Marker nicht mit anderen Tests vergleichen, da die Testmethodik völlig anders ist. UC Davis hat versuchsweise das Panel mit Kleinpudeln fast verdoppelt, um zu sehen, ob es einen Unterschied in den Ergebnissen geben würde. Es wurde festgestellt, dass es keinen signifikanten Unterschied in den Daten gab.
In der Studie von Dr. Pedersen u.A. konnten Eigenschaften als evident für die genetische Fitness im Allgemeinen und der untersuchten Autoimmunkrankheiten MA und SA im Besonderen festgestellt werden.
Als erstes Merkmal sei hier das DLA (Dog Leukocyte Antigen) erwähnt.
Der Haupt-Histokompatibilitätskomplex, oder MHC, ist die Region der DNA eines Tieres, die das Immunsystem steuert.
Bei Hunden wird diese spezifische Region als DLA, oder Dog-Leukocyte-Antigen, bezeichnet.
DLA und MHC sind austauschbare Begriffe und bedeuten im Wesentlichen das Gleiche.
Eine Störung des Immunsystems kann zu immunbedingten Krankheiten führen.
Es gibt drei Regionen des DLA, die sich auf dem Hunde-Chromosom 12 befinden.
Diese werden als Klasse I, Klasse II und Klasse III bezeichnet.
Der VGL Test analysiert derzeit die meisten Regionen des DLA von allen Tests, weltweit:
4 Regionen in Klasse I und 3 Regionen in Klasse II.
Klasse 1 ist für die normale Zellimmunität verantwortlich.
Diese Art der Immunität beinhaltet die Signalübertragung zwischen den Zellen des Immunsystems und aktiviert bestimmte Arten von Immunzellen, um Infektionen, Krebserkrankungen usw. anzugreifen.
Komplex, aber wichtig zu wissen, dass dieser Typ keine Antikörper beinhaltet.
Haplotypen der Klasse II werden in den 2000ern und die der Klasse I in den 1000ern angegeben. Künftig stärker berücksichtigt werden sollen möglichst die Haplotypen, die seltener in der Rasse vertreten sind.
Das Wissen über DLA in der Hundezucht beinhaltet viele Beispiele, u.a.:
Bei Großpudeln gibt es eine Beziehung zwischen bestimmten DLA-Typen der Klasse II (schwache Assoziation) und Sebadenitis und Morbus Addison.
Bei Möpsen Nekrotisierende Meningoenzepahlitis bei Klasse II (sehr starke Assoziation).
Diabetes mellitus bei Hunden wurde mit Genen der Klasse II in Verbindung gebracht.
(weitere Beispiele in der Literatur.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21217030
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23265864
https://cgejournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40575-015-0026-5)
Auch wenn es eine schwache Assoziation zu den erwähnten Erkrankungen gibt, scheinen bestimmte Haplotypen ein Faktor des Gesamtbildes zu sein. Nicht über zu bewerten, aber eben auch nicht zu negieren.
Risiko behaftete Haplotypen sind folgende:
1003/2001
Wenn ein Großpudel diesen erweiterten DLA-Haplotyp (Häufigkeit von 15,7 %) hat, trägt er ein leicht erhöhtes Risiko für AD und SA.
Man sollte sorgfältig auf Autoimmerkrankungen im Stammbaum schauen und züchten wie in den allgemeinen Richtlinien (s.u.) empfohlen.
1006/2004 und 1006/2007
1006/2004 (Häufigkeit von 2,7 %) und1006/2007 (Häufigkeit von 1,6 %)
Wenn ein Großpudel diese DLA Haplotyp-Kombination hat, hat er ein 2,8-faches Risiko für SA.
Bei der Kombination dieser Haplotypen wird empfohlen Richtung niedrigste IR (Internal Relatedness) mit einem Hund mit geringem AD-Risiko züchten. Vorzugsweise mit Haplotypen über 2007 und/oder mit einem Hund mit über 10 seltenen und unter 18 häufigen Allelen.
Dann die besten Nachkommen ohne diese Haplotypen testen und zur weiteren Zucht selektieren.
Diese Haplotypen sind nur in Kombination mit einem Risiko einher zu sehen. Wenn jedoch Vater und Mutter je ein Haplotyp haben, besteht eine 50%ige Chance der Welpen die komplette Kombination zu bekommen und damit ein tatsächliches Risiko zu haben, was nach Möglichkeit zu vermeiden ist.
1007/2006
Wenn ein Großpudel diese DLA-Haplotyp (Häufigkeit von 3,2 %) besitzt, hat er ein 2,4-fach erhöhtes Risiko für MA.
Empfohlen wird hier das Züchten auf niedrigere IR mit einem Hund mit niedrigem SA-Risiko und vorzugsweise Haplotypen über 2007 und/oder über 10 seltene und unter 18 häufige Allele. Dann wieder testen und selektieren der besten Nachkommen ohne diese Haplotypen.
Zudem züchten auf niedrigere IR in den nachfolgenden Generationen.
Wir wissen, dass selbst Vollgeschwister sehr unterschiedliche Dispositionen haben können. Daher sollte man nicht grundsätzlich offensichtlich gesunde Geschwister oder Eltern von erkrankten Hunden aus der Zucht ausschließen.
Großpudel mit Risiko- Haplotypen sollten ebenso nicht von der Zucht diskriminiert werden. Dennoch sollte man nicht frühzeitig (vor dem 4-5 Lebensjahr) züchten.
Warum? Ein auslösender Faktor für Autoimmunkrankheiten sind Stressoren des Immunsystems, die umweltbedingt sind. Das können Infektionen sein, psychischer Stress von Ausstellungen, Besitzerwechsel oder Reisen, Impfungen, Schläge vom Weidezaun, etc. Ein Hund, der bereits schlicht durch seine Lebenszeit einige dieser Faktoren erlebt hat ohne zu erkranken, hat offenbar ein Immunsystem, dass das zu kompensieren weiß.
Nicht genug kann betont werden, wie sinnvoll es ist Hunde erst spät im Leben zu züchten. Nicht nur aus diesen Gründen, sondern ebenso der mentalen Reife wegen. Die Aufzucht steht und fällt mit einer reifen, sicheren Mutterhündin, die sicher aus Erfahrung ist und in Ruhe Ausbildung und Arbeit erleben durfte.
Nicht zuletzt ist die Human-, ebenso wie die Veterinärmedizin heute so weit, dass einer späteren Fortpflanzung nichts im Wege steht.
Des Weiteren sollte man natürlich nicht ohne Test züchten - denn nur wenn man rein schaut in den Pudel, weiß man auch wirklich was drin steckt. Wir erleben hier immer wieder und zweifelsohne nicht selten beeindruckende Überraschungen!
Natürlich sollte man nicht mit erkrankten Hunden züchten.
Wie bisher wählen wir nach Gesundheit, Temperament und Struktur aus. Das Eine schließt das Andere nicht aus.
Informationen aus Stammbäumen sollen weiterhin genutzt werden. Auch durch Ahnentafeln erhalten wir Informationen über Struktur und Temperament.
Wir werden nicht umhin kommen aggressiver auf seltene und weniger häufige Allele züchten. Mitunter können diese schneller unwiderruflich verloren sein, als wir uns bisher denken konnten. Unter allen Umständen müssen seltene Gene gesucht und präserviert werden!
Ziel ist eine gleichmäßigere Verteilung in der Population von seltenen und häufigen Allelen.
Die „Internal Relatedness“ (IR) der Nachkommen sollte niedriger als die der Eltern sein, möglichst kleiner Null. Dann selektiert man dieWelpen aus dem Wurf nach bestem Typ und niedrigster IR, in Hinsicht auf das eigene Zuchtziel.
Bei SA-Risiko, aber ohne MA-Risiko, züchten wir auf niedrigste IR mit einem Hund mit geringem MA-Risiko.
Mit MA-Risiko, aber keinem SA-Risiko, züchten wir auf niedrigen IR mit einem Hund ohne SA-Risiko. In den nachfolgenden Generationen sollte auf eine niedrigere IR hin gezüchtet werden.
Ein Hund mit sowohl MA- als auch SA-Risiko, sollte mit einem Outlier verpaart werden. Dabei nach Hunden mit über 10 seltenen und unter 18 häufigen Allelen und über 2007 Haplotypen suchen und verpaaren.
Die Internal Relatedness (IR) ist ein Maß für die tatsächliche genetische Vielfalt innerhalb eines Individuums. Sozusagen wie ingezüchtet ein Hund tatsächlich ist und nicht nur nach der sehr groben Wahrscheinlichkeit des Inzuchtkoeffizienten „grob gewürfelt“.
Es berücksichtigt sowohl die Heterozygotie der Allele an jeder STR, als auch deren relative Häufigkeit in der Population. Daher bewertet IR die Heterozygotie gegenüber der Homozygotie.
IR-Werte sind für jeden Hund einzigartig und können nicht zwischen Hunden verglichen werden.
Zwei Hunde können identische IR-Werte, aber sehr unterschiedliche genetische Zusammensetzungen haben.
Je negativer die IR, desto weniger ingezüchtet ist der Hund. Mehr Gene sind dann heterozygot, oder unterschiedlicher im gesamten Genom.
Je positiver die IR, desto ingezüchteter ist der Hund. Die Gene sind mehr homozygot, oder im gesamten Genom gleich.
Die IR ist nützlich für Populationen mit ausgeglichener und weit verbreiteter genetischer Vielfalt.
Sie ist jedoch von begrenztem Wert bei Populationen, welche die Vielfalt, die sie durch genetische Flaschenhälse erworben haben, wieder umverteilen müssen.
Ein Hund kann eine niedrige IR, aber auch eine sehr typische Genetik für seine Rasse aufweisen.
(Beispiele für Rassen, die genetisch ausgeglichen verteilt sind: Havaneser und Zwergpudel.)
“Internal Relatedness (IR) ist derzeit der am weitesten verbreitete Maßstab. Das Hauptmerkmal ist, dass die Häufigkeit der Allele in das Maß mit einbezogen wird. Allerdings unterschätzt die IR die Heterozygosität von Individuen, die sehr seltene Allele tragen.“ (http://www.consevol.org/pdf/Aparicio_2006_MolEcol.pdf)
Populationen können viele Marker an den STR haben, aber sie sind nicht gleichmäßig verteilt. In diesen Populationen muss man herausfinden, ob ein Hund selten oder häufig vorkommende Allele hat.
Eine Population kann z. B. 20 Marker an einer Stelle haben, aber nur 1-2 werden von der Mehrheit der Hunde getragen.
Genetisch verarmte Populationen hingegen haben insgesamt weniger Marker als nicht genetisch verarmte.
Ein Hund kann genau so heterozygot sein wie ein anderer, weil er seltenere Allele hat, ist der IR-Wert möglicherweise höher.
Bei IR geht es um den einzelnen Hund; in Bezug auf die Population bedeutet es wenig.
Je mehr Gene gleich sind (homozygot), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass rezessive Mutationen im Hund zum Ausdruck kommen.
Daher haben weniger ingezüchtete Hunde (niedrige IR) eine geringere Wahrscheinlichkeit, eine rezessive Störung (oder rezessive Komponenten-Störung) zu haben. Bei Hunden mit hoher IR ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie die gleichen Gene haben und daher eine rezessive Erkrankung entwickeln.
Ein Hund mit hoher IR kann nicht erkranken, ein Hund mit niedriger IR erkranken. Die Wahrscheinlichkeiten ob dies passiert, verschieben sich aber.
IR sagt nichts darüber aus, ob der Hund eine einzigartige Genetik in Bezug auf die Population hat.
Inzucht (allgemein als Homozygotie bezeichnet) liegt vor, wenn es in den Familien beider Elternteile viele gleiche Vorfahren gibt. In der Natur gibt es Puffer, die eine enge Verwandtschaft bei der Fortpflanzung ohne negative Auswirkungen für einige Generationen ermöglichen, aber diese Puffer bieten nur einen begrenzten Schutz. Letztendlich leiden geschlossene Populationen unter vermehrten Krankheiten und verminderter Reproduktion. Interne Verwandtschaft (IR) ist ein Maß, das in der Forschung sehr häufig verwendet wird, um das Maß an Inzucht zu beurteilen, und das für geschlossene Populationen wie Hunderassen als am besten geeignet angesehen wird. Homozygotie nach Locus (HL) ist ein Maß, das entwickelt wurde, um Populationen mit etwas Einwanderung oder neuer Genetik besser beurteilen zu können.
Geringere Inzucht senkt das Risiko für rezessive Krankheiten, sowohl bekannte als auch solche, die noch nicht entdeckt wurden. Da alle Lebewesen einige Mutationen tragen und die meisten schädlichen Mutationen rezessiv sind, erhöht Inzucht das Risiko für die Nachkommen, diese Krankheiten zu haben. Inzucht führt auch zu einem größeren Verlust an genetischer Vielfalt. Allerdings sind nicht alle Inzuchthunde ungesund, und die Verpaarung eines Inzuchthundes mit einem anderen führt nicht immer zu Inzuchtwelpen - wenn zwei Inzuchthunde nicht miteinander verwandt sind, können ihre Welpen durchaus wenig ingezüchtet oder heterozygot sein.)
Die IR sagt nichts darüber aus, was der Hund mit einem anderen Hund hervorbringt!
Würfe mit kleinen IR- Bandbreiten haben eine geringere Wahrscheinlichkeit, rezessive Komponenten- Krankheiten zu entwickeln.
Großpudel mit einem niedrigen IR beispielsweise tragen ein geringeres Risiko für SA (vermutlich eine rezessive Komponenten- Erkrankung).
Mit Hilfe von BetterBred kann man den IR- Bereich und den Durchschnitt des künftigen Wurfes berechnen.
Ist es denkbar, dass eine hohe IR von Vorteil sein kann?
In manchen Fällen kann eine hohe IR ein Vorteil für die Population sein.
Warum?
Wie bereits erwähnt, gibt es in Populationen genetische Flaschenhälse. Die seltenen und häufig vorkommenden Gene sind ungleichmäßig verteilt.
Mitunter so ungleichmäßig verteilt, das seltene Gene mehr und mehr aussterben und so für immer verloren sind. Mithin bis zur ultimativen Inzucht.
In diesen Fällen kann ein Hund mit einer hohen IR, aber ungewöhnlicher Genetik, Welpen mit niedriger IR und ungewöhnlicher Genetik hervorbringen - mit dem richtigen Partner.
Wir bezeichnen Hunde mit einer hohen Anzahl von seltenen/ neutralen Allelen (im Vergleich zur Population) als "Outlier" - sie liegen außerhalb der engen Hauptpopulation.
So kann es für den einzelnen Hund nicht von Vorteil sein, jedoch für die gesamte Population von unschätzbarem Wert.
Genetisch vielfältige Populationen haben insgesamt eine bessere Gesundheit.
Ebenso hat eine verarmte allgemeine Genetik Einfluss auf die Fortpflanzungsfähigkeit bis hin zur Sterilität.
Es hat sich außerdem gezeigt, dass eine dezimierte Genetik die Wahrscheinlichkeit von vererbbaren Krankheiten erhöht. Insbesondere wenn die Ursprungshunde und/ oder die Verursacher eines Flaschenhalses Gene für Krankheiten trugen. So wie bei den Großpudeln der Mid Century Bottleneck durch den Wycliffe Zwinger.
Wenn ein Hund mit seltenen Genen nicht zur Zucht verwendet wird, sind diese Gene mit ihm ausgestorben und unwiederbringlich verloren.
Auch in Zoopopulationen wendet man dieses Konzept an, damit Arten nicht nur erhalten werden, sondern die genetische Vielfalt innerhalb der Population bewahrt wird. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22246407)
Für einige Arten werden sogar Parallel-Populationen separiert gezüchtet, damit man bei zu enger Genetik der Haupt-Population sich aus diesen „bedienen“ kann.
Genetische Flaschenhälse (verminderte Genetik in einem geschlossenen Bestand) entstehen in der Regel, wenn wir sehr häufig mit beliebten Vererbern züchten, die Zucht durch Weltkriege eingeschränkt wird, eine Rasse mit wenigen Tieren begonnen wurde, eine Rasse weniger beliebt wird, durch Farblinien- oder Championzuchten wie bei den Pudeln, Dividierung der Groß-und Kleinpudel als Linienzucht, obwohl sie genetisch eine Rasse sind, usw.
Diese Engpässe intensivieren rassespezifische Krankheiten. Wenn also eine Rasse eine schlecht vertretene Vielfalt aufweist, wird eine entsprechende Umverteilung die rassespezifische Krankheitsgenetik mindern.
Die erläuterten Werkzeuge helfen Züchtern, dieses Ziel zu erreichen.
Der Outlier Index zeigt uns, wie typisch, oder atypisch der Hund für die betreffende Rasse ist.
Er gewichtet seltene, neutrale und häufig vorkommende Allele. Der OI ist ein Maßstab, um von Engpässen/ Flaschenhälsen weg zu züchten.
Verwendet wird die rasseweite Allel- Frequenz aller in der Population untersuchten Hunde.
Er ist ein wichtiges Werkzeug, um zu vermeiden, dass die Rasse weiter in die genetische Verarmung rutscht (Flaschenhals) und hilft die Vielfalt innerhalb der Rasse zu erhalten. Dafür müssen wir bei Würfen einen höheren Wert als den Rassedurchschnitt anstreben, damit eine Umverteilung der seltenen und häufig vorkommenden Allele passieren kann.
Schlicht gesprochen je höher der OI, desto atypischer; je niedriger der OI, desto typischer ist ein Hund. Typisch bezeichnet die Genetik des Hundes und hat nichts mit „typvoll“ in Exterieur-Beschreibungen im Richterbericht zu tun, wie ein Hund aussieht oder sein Verhalten ist.
Der OI kann für kommende Würfe berechnet werden und ist nicht auf eine große Anzahl getesteter Hunde im Datensystem angewiesen; er basiert auf der Allel-Frequenz getesteter Hunde.
Aber er wird sich verschieben, je mehr Hunde getestet werden.
Der derzeitige OI Ø bei Großpudeln beträgt 0,24.
Der Rassedurchschnitt von seltenen Allelen liegt bei 8 (im Vergleich zu den häufigen 53). Alleine aus diesen beiden Zahlen ist ersichtlich wie schnell seltene Allele verschwunden sein können.
Durchschnittlich haben MA affektierte Hunde noch 7 seltene und 54 häufige Gene. Bei SA affektierten Hunden liegen die Zahlen bei 6 un 55. Der durchschnittliche gesunde Pudel hat immerhin 7 seltene und 54 häufige Allele.
Seit vielen Jahren wird die Zucht von Tieren in Gefangenschaft in Zoos gemanaged, indem man sich bemüht, Inzucht zu reduzieren und die genetische Vielfalt zu erhalten.
Die Diversität in der Art zu erhalten ist der Weg, wie sie langfristig in Gefangenschaft lebensfähig bleibt.
Reinrassige Hunde sind keine Zootiere. Ihre Zucht wird dennoch verwaltet und kontrolliert. Sie suchen sich ihre Partner nicht selber aus.
Oft bedarf es nur weniger Generationen die genetische Vielfalt - selbst bei ehemals diversen Rassen - schnell zu verlieren.
Um eine Art langfristig zu erhalten, verwenden Zoo- Management-Programme komplexe Berechnungen, um Zucht- Partner mit maximaler genetischer Vielfalt auszuwählen und so die Inzucht gering zu halten.
BetterBred wendet das gleiche Konzept in der AGR-Berechnung an.
AGR steht für „durchschnittliche genetische Verwandtschaft“.
Wie verwandt ist ein Großpudel mit allen anderen in BetterBred (Datenbank zum VGL Diversitätstest)?
Hunde, die am wenigsten mit den meisten Hunden verwandt sind, unterscheiden sich von der Population am größten.
Das Konzept basiert auf Berechnungen von Jinliang Wang (2002).
Die Verwandtschaft eines Hundes basiert darauf, wie wahrscheinlich es ist, dass er Gene mit jedem anderen Hund in der Datenbank teilt. Jeder STR und die STR- Häufigkeit werden in der Berechnung verwendet.
Eine niedrige AGR bedeutet, dass ein Hund sehr wenig mit dem Rest der Population verwandt ist.
Eine hohe AGR bedeutet, dass ein Hund sehr stark mit einem Großteil der Population verwandt ist. Da die Berechnung auf allen anderen Hunden in der Datenbank basiert, kann sie sich ändern, wenn weitere Hunde hinzugefügt werden.
AGR kann derzeit nicht für künftige Würfe berechnet werden.
AGR und OI hängen allerdings zusammen und bedingen sich. Der OI hilft, bei den Welpen, die weiter für die Zucht eingesetzt werden, eine niedrigere AGR auszuwählen.
Der OI- Bereich des berechneten Wurfs weist in die künftig niedrigere AGR Richtung.
Die Auswahl der Zuchtpartner sollte nach einem unter dem Rassedurchschnitt liegenden AGR passieren, während weiterhin auf Typ, Temperament, Arbeitsbereitschaft, usw. selektiert wird.
Ein niedriger AGR bei Hunden führt dazu, dass sie weniger häufig mit anderen Hunden in der Datenbank eng verwandt sind und sich so mehr Optionen zu Paarungen ergeben.
Die durchschnittliche AGR für Großpudel liegt derzeit bei -0,02, bzw. 55,4 % nichtverwandt mit dem Rest der Rasse. Die Werte für MA und SA affektierte Hunde liegt beide Male unter 50 %, bzw. 0,0.
Wir erinnern uns:
Die AGR besagt, wie einzigartig ein Hund ist, ob seine Gene häufig oder nicht häufig vorkommen, in Bezug auf die gesamte Rasse.
Die Hunde, die am wenigsten gemeinsam haben mit den anderen, haben mehr Möglichkeiten mit anderen Hunden unverwandt gezüchtet zu werden.
Sie sind genetisch nicht, oder weniger, verwandt.
Wie verwandt ist mein Hund nun tatsächlich in Bezug zu einem bestimmten anderen Hund, beispielsweise in einer Testverpaarung?
Die Kategorien auf BetterBred basieren auf der tatsächlichen, der genetischen Verwandtschaft zwischen Hunden.
Viele der Verpaarungen wären zwar eine "Kategorie 10“.
Die vorherig besprochenen Konzepte (IR, OI, AGR) sind jedoch ebenso bei der Auswahl von Zuchtpartnern in die Betrachtung mit einzubeziehen.
Die Ergebnisse unterscheiden sich tatsächlich erheblich darin, wie typisch oder untypisch die aus diesen Hunden als Paar erzeugte Genetik, also die der Nachkommen ist.
Nach allen Informationen, die die Studie hergibt, wird dringend empfohlen auf Kategorie 10 Verpaarungen zu fokussieren. In Rassen, diesen Population breiter gestreut ist kann, mit entsprechend stichhaltiger Argumentation, theoretisch bis Kategorie 5 (Cousins 1. Grades) gezüchtet werden.
Der Outlier- Index (OI) und die durchschnittliche genetische Verwandtschaft (AGR) sind die Werte, die bei der Planung eines Wurfes unbedingt mit berücksichtigt werden sollten.
Die Internal Relatedness („tatsächliche Inzucht des Hundes“) soll gesenkt werden.
Der Outlier Index („wie weit ist der Hund außerhalb der Ballungs-Population“) soll gehoben werden.
Die durchschnittliche genetische Verwandtschaft („wie viel Möglichkeiten hat der Hund zur Verpaarung mit anderen“) soll gesenkt werden.
Immer wieder wichtig in das Bewusstsein zu bringen ist die Tatsache, dass alle Faktoren beschreibend sind. Sie sind nicht GUT oder SCHLECHT wertend.
Deshalb ist es auch unbedingt erforderlich, dass getestete Hunde öffentlich in der Datenbank einzusehen sind.
Hier gibt es nichts zu verheimlichen. Ganz im Gegenteil kann es für jeden Hund nur von Vorteil sein.
Es kommt auf die Kombination an, WIE ich mit WEM verpaare und welches Zuchtziel ich habe.
Einige der allgemeinen Ziele werden durch den VGL-Test jedoch immer deutlicher. Wir müssen den Flaschenhals entzerren, die seltenen Gene präservieren und alte Fehler wie Farblienienzucht, Championzucht, Ausschluss von vereinsfremden Hunden, Verzicht von intermediärer Zucht von Klein-und Großpudeln, vermeiden und aus diesen Fehlern lernen.
Der dritte Teil der Reihe „Wege aus dem Flaschenhals“ wird sich anhand von Beispielen mit Tesverpaarungen und Analysen von individuellen Profilen in der Datenbank auseinandersetzen.
Ein wichtiger weiterer Aspekt wird beleuchtet: Warum es nicht reicht den einen Hund, oder die eine Verpaarung zu testen, sondern der Wurf folglich auch untersucht und aus diesem ausgewählt werden soll.
Es wird sehr spannend, denn es wird einige beeindruckende Überraschungen geben!
Link zum Vortrag: hier entlang!